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Psychotherapie: Welche Methode passt zu mir?


Bild: Werner Dietrich/Westend61/dpa

Wer mentale oder psychische Probleme hat und Hilfe sucht, findet im Internet viele Angebote. Doch wirklich professionelle Hilfe bietet eine Psychotherapie. Vier zugelassene und von den Krankenkassen bezahlte Verfahren gibt es sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche: die Verhaltenstherapie, die systemische Therapie sowie die tiefenpsychologisch fundierte und die analytische Therapie. Die beiden letzteren werden unter dem Begriff psychodynamische Therapien zusammengefasst.

Alle Verfahren sind so angelegt, dass sie die großen Störungsbilder wie Depressionen oder Angststörungen behandeln. Je nachdem werden unterschiedlich viele Sitzungsstunden genehmigt.

Derzeit (noch) nicht zugelassen seien die humanistischen Verfahren, erklärt Susanne Berwanger, Verhaltenstherapeutin und Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Hier gibt es verschiedene Richtungen, etwa die Gesprächs- oder Gestalt-Psychotherapie sowie das Psychodrama.

Der erste Zugang zum Psychotherapeuten

Welche Methode passt nun zu wem? «Genau diese Frage lässt sich in einer psychotherapeutischen Sprechstunde klären», sagt Psychotherapeut Gebhard Hentschel, der Bundesvorsitzender der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung ist. Die Sprechstunden werden Hentschel zufolge nahezu bundesweit zeitnah angeboten und sind vor einer Behandlung Pflicht. Dafür benötigen Interessierte keine Überweisung.

Kassenpatienten können sich auch über die zentrale Terminvermittlungsstelle der Kassenärztlichen Vereinigungen einen Termin geben lassen, telefonisch unter 116117 oder online (https://www.116117-termine.de/). Sollte das innerhalb weniger Wochen nicht möglich sein, vermittle die Terminservicestelle an eine Ambulanz, erklärt Christa Roth-Sackenheim. Sie ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und zweite Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater.

Die Sprechstunde bieten Ärztinnen und Therapeuten verschiedener Fachrichtungen an. In dreimal 50 Minuten oder sechsmal 25 Minuten wird untersucht, ob überhaupt eine psychische Störung vorliegt und eine Psychotherapie sinnvoll ist. Auch wird eine Empfehlung für ein psychotherapeutisches Verfahren ausgesprochen oder alternative Hilfs- und Behandlungsangebote abgestimmt.

Verschiedene Verfahren testen

Bevor die eigentliche Psychotherapie beginnt, können bis zu vier probatorische Sitzungen wahrgenommen, verschiedene Verfahren und damit Behandelnde ausprobiert werden. In dieser Zeit ist auch ein Wechsel möglich. Erst danach stellt man einen Antrag auf Bewilligung an die Krankenkasse. Bei dringendem Behandlungsbedarf und in Krisen besteht die Möglichkeit einer Akutbehandlung, die aus bis zu zwölf Therapieeinheiten à 50 Minuten besteht - ohne Antrag bei der Krankenkasse und ohne probatorische Sitzungen.

Selbst zahlen oder Ausbildungsinstitute kontaktieren

Grundsätzlich gibt es noch die Möglichkeit, die Therapie selbst zu zahlen und sich später erstatten zu lassen. Dafür könnte man eine Privatpraxis aufsuchen. «Achten Sie bei Ihrer Wahl darauf, dass die Therapeutin oder der Therapeut eine Approbation hat, entweder als Arzt beziehungsweise Ärztin oder Psychologe und Psychologin», sagt Berwanger. Allerdings sollte man sich unbedingt vorher eine Zusage von der Kasse einholen, raten die Experten und Expertinnen. Manche Kassen verlangen eine Bescheinigung von mehreren Therapeuten, dass sie nicht behandeln können oder eine Dokumentation über eine Wartezeit von mehr als sechs Wochen.

Handelt es sich nicht um einen schweren oder dringlichen Fall, kann man Ausbildungsinstitute anfragen. Sie bieten psychotherapeutische Sprechstunden und ambulante Psychotherapie unter Supervision an. Optionen können je nach Krankheitsbild auch eine Gruppentherapie oder eine Kombination aus Einzel- und Gruppentherapie sein. «Schauen Sie es sich an und trauen Sie sich, man sitzt nicht alleine im Boot», sagt Berwanger, die selbst kombinierte Stunden anbietet. In den Gruppen finde viel Wissensvermittlung statt.

Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie ist gut geeignet zur Behandlung von Angst- und Zwangsstörungen. Verhalten bezieht sich in diesem Fall auf das Denken, Fühlen und das praktische Verhalten. «Hier kommt man relativ rasch zu konkreten Ergebnissen», sagt Roth-Sackenheim. Bei Phobien etwa wird der Patient oder die Patientin mit der Angst oder dem Ort der Angst konfrontiert. Anschließend besprechen sie mit dem Arzt oder der Therapeutin die Reaktionen, machen sich ihre Gedanken bewusst und versuchen sie zu ändern. «Die Verhaltenstherapie arbeitet viel mit Übungen an konkreten Symptomen», sagt Hentschel. Dabei stehen auch Entspannungsübungen auf dem Programm.

Psychodynamische Verfahren

Grundlage der psychodynamischen Verfahren ist immer das Gespräch. «In der Tiefenpsychologie geht man vom aktuellen Konflikt aus und schaut sich an, ob es einen Zusammenhang zu bereits Erlebtem gibt», sagt Hentschel, der selbst tiefenpsychologisch fundierte Therapie anbietet. Wiederholen sich hier beispielsweise erlernte Muster? Gibt es unbewältigte Konflikte in der Vergangenheit, die eine Bewältigung im Hier und Jetzt erschweren?

Wer sich beispielsweise im Job nicht abgrenzen kann, viel Verantwortung übernimmt und dadurch ein Burn-out beziehungsweise eine Depression entwickelt, könnte bereits im Elternhaus gelernt haben, (zu früh) zu viel Verantwortung für Aufgaben in der Familie zu übernehmen, aus welchen Gründen auch immer. Praktische Elemente können hier ebenfalls enthalten sein.

Psychoanalyse

Bei der analytischen Therapie stehen konflikthafte Beziehungserfahrungen im Fokus, man arbeitet mit dem Unbewussten. «Es wird davon ausgegangen, dass sich in der aktuellen Beziehung zum Therapeuten die alten kindlichen Beziehungserfahrungen und Konflikte zeigen und durch die therapeutische Beziehung nicht nur transparent gemacht, sondern auch aufgelöst werden», sagt Berwanger. Übrigens findet diese Therapie heutzutage nicht mehr unbedingt klassischerweise im Liegen statt wie noch zu Sigmund Freuds Zeiten.

Systemische Therapie

Die systemische Therapie bezieht die unmittelbare Umgebung wie etwa die Familie mit ein. «Es geht um Beziehungsstrukturen, eine Sitzung kann also mit mehreren Personen stattfinden - entweder real oder indem man sie sich vorstellt», sagt Hentschel. Die Familienaufstellung ist eine typische Variante der systemischen Therapie.

Wie man sich auch entscheidet, es gilt, wie Hentschel zusammenfasst: «Das Verfahren kann noch so gut geeignet sein, wichtig ist die professionelle psychotherapeutische Beziehung. Wenn es zwischen Patient und Therapeutin nicht stimmt, dann wird es nicht zum Ziel führen.»


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(19.04.2024)